Feedback

Sozialtourismus ist Unwort des Jahres

Ulrich Schneider sieht in der Wahl des Begriffs eine Ermahnung zu mehr Sachlichkeit und Redlichkeit.

 

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, sieht in der Wahl des Begriffs «Sozialtourismus» zum Unwort des Jahres 2013 «eine Ermahnung zu mehr Sachlichkeit und Redlichkeit».
Die Jury habe in der aktuellen Debatte über die sozialen Rechte von Zuwanderern «eine absolut gute Entscheidung getroffen zum absolut richtigen Zeitpunkt», sagte Schneider der Nachrichtenagentur dpa.
Der Begriff markiere «einen absoluten Tiefpunkt an sprachlichem Zynismus. Nicht nur, dass massenhafter Sozialmissbrauch suggeriert wird, der faktisch nicht existiert, auch wird die häufig existenzielle Not von Flüchtlingen verspottet.» Es bleibe - erklärte Schneider - zu hoffen, dass das Signal «überall in der Politik ankommt».


Die Sprachkritische Aktion UNWORT DES JAHRES begründet die Wahl des Begriffes in einer Pressemitteilung wie folgt:

Im letzten Jahr ist die Diskussion um erwünschte und nicht erwünschte Zuwanderung nach Deutschland wieder aktuell geworden. In diesem Zusammenhang wurde von einigen Politikern und Medien mit dem Ausdruck „Sozialtourismus“ gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer, insbesondere aus Osteuropa gemacht. Das Grundwort „Tourismus“ suggeriertin Verdrehung der offenkundigen Tatsachen eine dem Vergnügen und der Erholung dienende Reisetätigkeit. Das Bestimmungswort „Sozial“ reduziert die damit gemeinte Zuwanderung auf das Ziel, vom deutschen Sozialsystem zu profitieren. Dies diskriminiert Menschen, die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu. Der Ausdruck „Sozialtourismus“ reiht sich dabei in ein Netz weiterer Unwörter ein, die zusammen dazu dienen, diese Stimmung zu befördern: „Armutszuwanderung" wird im Sinne von „Einwanderung in die Sozialsysteme“ ursprünglich diffamierend und nun zunehmend undifferenziert als vermeintlich sachlich neutraler Ausdruck verwendet. Mit „Freizügigkeitsmissbrauch" wird denjenigen, die die in der EU jetzt auch für Menschen aus Bulgarien und Rumänien garantierte Freizügigkeit nutzen, ein kriminelles Verhalten unterstellt. Der Ausdruck „Sozialtourismus“ treibt die Unterstellung einer böswilligen Absicht jedoch auf die Spitze.

www.unwortdesjahres.net