Arbeit und Bildung e. V.

Mit alten Booten auf neuem Kurs

Persenning? Nie gehört oder gelesen? In Marburg entstehen aus dem wasserdichten Stoff, der oft für Bootsabdeckungen genutzt wird, trendige Schultertaschen, Kulturbeutel und vieles mehr. Genäht werden sie in einem Projekt unser Mitgliedsorganisation Arbeit und Bildung e. V. Es hilft Menschen, die im Job oder im Leben gestrandet sind, für sich den richtigen Kurs zu finden.

Wer bei der „Marburger Bootswerft“ anheuert, kann in zwei Richtungen segeln: Die eine ist die Holzbearbeitung, dazu gehört beispielsweise, Segel- und Motorboote zu sanieren und zu restaurieren. Die andere Richtung ist die Textilverarbeitung. Seit Oktober 2006 betreibt Arbeit und Bildung e.V. die Marburger Bootswerft samt Textilwerkstatt in Cölbe bei Marburg.

Jürgen, ist Anfang 50. Lange alkoholabhängig, spielsüchtig, arbeitslos und seit 20 Jahren ohne festen Wohnsitz, zählt er Eckdaten seines Lebens auf. Nun ist er bei den Boots-Sanierern gelandet. Er hat dort entdeckt, dass er etwas anpacken und dranbleiben kann. Ebenso wie Feinmechaniker Dennis, in dessen Lebenslauf ein paar Dinge stehen, die sich bei der Jobsuche ungünstig auswirken. Und auch Julia, eine alleinerziehende Mutter, die lange aus dem Berufsleben heraus war und sich selbst nicht mehr viel zugetraut hat, sammelt Erfolgserlebnisse.

Maßnahmen und Menschlichkeit verbinden
Die Offenheit, mit der diese drei Menschen in einer sehr sehenswerten Reportage des Hessischen Rundfunks von sich und ihren Erfahrungen berichten, kommt nicht von ungefähr. Sie hat viel mit dem Verein zu tun, zu dem sie vom KreisJobCenter Marburg geschickt wurden, und mit dem „Betriebsklima“, der engen Verbindung von Maßnahmen und Menschlichkeit. Offen sein für Menschen mit den unterschiedlichsten Biografien und Unterstützungsbedarfen, aber auch für deren Potenziale, das ist Arbeit und Bildung wichtig. Offen sein für scheinbar seltsame Ideen wie eine Schiffswerft mitten im Inland als Arbeitsförderungsmaßnahme. Sich vom Auf und Ab bei den staatlichen Finanzierungen und Förderinstrumenten nicht entmutigen lassen. All das hat den Verein in fast 40 Jahren zu einem großen erfolgreichen gemeinnützigen Träger von Bildungsprojekten und Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt gemacht. Vielfalt und Kreativität prägen das Programm des Vereins. Dabei zeigt Arbeit und Bildung e.V. immer ein klares Profil bei gesellschaftlichen und politischen Fragen und Haltungen. So wurde beispielsweise das Projekt „Gemeinsam stark gegen Rassismus“ 2021 beim Hessischen Integrationspreis mit Bronze ausgezeichnet. „Wir stehen dafür, dass alle Menschen die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe und für ein selbstbestimmtes Leben haben. Das schließt Rassismus und Diskriminierung aus“, sagt Kordula Weber, die mit Angelika Funk 2021 die Nachfolge von Geschäftsführer Rainer Dolle angetreten hat. Der Gründungsvater von Arbeit und Bildung e. V. stand mehr als dreieinhalb Jahrzehnte an der Spitze des Sozialunternehmens und hat nicht zuletzt als engagierter Netzwerker auch innerhalb des Paritätischen große Verdienste erworben.

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Rund 150 Pädagog*innen, Lehrer*innen, Ausbilder*innen und Verwaltungsfachkräfte engagieren sich bei Arbeit und Leben e. V. in der Fortbildung, in Berufsvorbereitung und Berufsorientierung, in einer Produktionsschule, in Beschäftigungsprojekten, gemeinnützigen Zweckbetrieben und einer Inklusionsfirma. Im Netzwerk „BLEIB in Hessen II“ unterstützt Arbeit und Bildung Menschen mit Fluchterfahrung bei der Suche nach Ausbildungs- und Arbeitsplätzen, und im Projekt „In Würde Teilhaben“ stehen isoliert lebende ältere Menschen im Mittelpunkt, deren soziale Einbindung der Verein verbessern will.

In weiteren Projekten geht es um Jugendliche und Ausbildung und um europaweiten Austausch. Betriebe werden im Diversity-Management beraten, Frauen beim Wiedereinstieg in den Beruf und Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen in der Integration unterstützt. In Fotos und Erzähltexten aus dem Projekt „Lebenswelten“ zeigen Frauen mit Fluchterfahrung ihre Geschichte und machen gemeinsam mit der Waggonhalle Marburg daraus ein beeindruckendes Theaterstück.