Perspektivwechsel e.V.


Engagement für straffällig gewordene Menschen

Alles weg: Wohnung, Möbel, Kleidung, Arbeit und vieles mehr… Nach drei Jahren im offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt Frankfurt-Preungesheim steht Mary K. vor dem Nichts. Sie war in etwas verwickelt, das den Straftatbestand der Räuberischen Erpressung erfüllte. „Nicht selbst aktiv, aber dabei“, sagt sie. Der Frankfurter Verein Perspektivwechsel e.V. ermöglicht ihr, nach der Haft erst einmal im Betreuten Wohnen für haftentlassene Frauen und Männer unterzukommen, damit sie wieder Fuß fassen kann. Neben einer kleinen Wohnung bekommt die Frankfurterin auch in vielen lebenspraktischen Fragen Unterstützung. Ein Jahr ist ihre Rückkehr in die Freiheit jetzt her. Mary K. hat beruflich als Köchin Fuß gefasst. Nun hofft sie, bald auch eine Wohnung zu finden. Die 41-Jährige erinnert sich: „Nach der Haftentlassung war ich anfangs von allem total überwältigt und wusste nicht: Was mache ich zuerst? Da hat mir meine Betreuerin von Perspektivwechsel sehr geholfen, Struktur reinzubekommen“. Und was ihr vor allem gut getan hat: „Da war jemand, der mir ohne Vorurteile begegnet ist.“

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1868 gegründet als Frankfurter Gefängnisverein

Perspektivwechsel e. V. engagiert sich seit 1868 für Inhaftierte, Haftentlassene, von Haft bedrohte Menschen und deren Angehörige – seit 2003 unter diesem Namen. Bei seiner Gründung vor mehr als 150 Jahren gibt sich der Verein zur Fürsorge für Gefangene und ihre Angehörigen den Namen  „Frankfurter Gefängnisverein“. Er hat zeitweise bis zu 1.000 Mitglieder aus allen Bereichen der Gesellschaft, darunter auch viele einflussreiche und wohlhabende Frankfurter Bürger*innen. Hilfsbereitschaft und Empathie gegenüber straffällig gewordenen Menschen statt Rache und Strafe – das ist der Leitgedanke der humanistisch bewegten Gründungsmitglieder.

Während der NS-Zeit wird der Verein von den Nazis „gleichgeschaltet“, alle jüdischen Mitglieder müssen ausgeschlossen werden. „Trotz intensiver Nachforschungen ist über darüber hinausgehende Nähe des Vereins zum Nazi-Regime nichts bekannt geworden“, heißt es in einem Rückblick im Jahresbericht von 2017.

Große Kontinuität bei den Aktiven

Nach dem Krieg nimmt der als ältester sozialer Verein Frankfurts geltende „Frankfurter Gefängnisverein“ die Arbeit wieder auf. Mehrfach ändert sich der Vereinsname – ein Symbol für veränderte Haltungen und Arbeitsinhalte – von der Fürsorge hin zur psychosozialen Fallarbeit; neben dem Blick auf individuelles Fehlverhalten rücken auch die Berücksichtigung gesellschaftlicher Strukturen und das Bemühen um Prävention in den Fokus. Anders als beim Namen gibt es bei den Aktiven große Kontinuität: Viele sind mehr als 30 Jahre im Verein.

2003 fällt die Entscheidung für den heutigen Namen Perspektivwechsel e.V. Soziale Verantwortung seit 1868. Er steht für das, was längst Programm ist: Weg vom Blick auf die Defizite, hin zu den Potenzialen. Schwerpunkte der Arbeit sind das Betreute Wohnen für junge wohnungslose Erwachsene im Alter zwischen 18 und-25 Jahren, Betreutes Wohnen für Haftentlassene, Beratung von mit dem Gesetz in Konflikt geratenen Personen und ihren Angehörigen, Sozialurlauberwohnung für Inhaftierte und Angehörige, Schuldnerberatung für Inhaftierte der JVA IV in Frankfurt, Kurse zur Entlassungsvorbereitung und Bewerbungstraining. „Wie schon nach dem Krieg sind auch heute der Mangel an bezahlbarem Wohnraum und Arbeitslosigkeit widrige Rahmenbedingungen für unsere Arbeit“, sagt Vereinsvorsitzende Martina vom Bruch. Das eigene Haus im Frankfurter Bäckerweg ist daher Gold wert, hat aber letztlich auch begrenzte Kapazitäten.