Hilfe für suchtkranke Menschen

Vielfalt der Ansätze und Angebote

Die Vielfalt des Paritätischen spiegelt sich auch im Bereich der Hilfen für Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen und deren Angehörige. Die Mitgliedsorganisationen in der Suchthilfe haben viele ambulante und auch stationäre Angebote für Menschen, die von Alkohol, illegalen Drogen und Medikamenten sowie Glücksspiel und Mediennutzung abhängig sind. Sie reichen von der Beratung über die ambulante Reha, vom therapeutisch begleiteten Wohnen bis zur Substitutionsambulanz, wo Drogenabhängige einen Ersatzstoff erhalten, der Entzugserscheinungen lindert.

Zum breiten Spektrum der Mitgliedsorganisationen in der Suchthilfe gehören beispielsweise „Die Fleckenbühler“, eine Selbsthilfe-Gemeinschaft mit Sitz in Cölbe bei Marburg. Sie orientieren sich am Leitbild eines nüchternen, drogenfreien Lebens und bieten Suchtkranken, die jederzeit in die Lebensgemeinschaft aufgenommen werden, eine Vielzahl von Betätigungsfeldern in Öko-Landwirtschaft, Gastronomie und Umzugsservice. Einen ganz anderen Weg geht die Integrative Drogenhilfe e. V. in Frankfurt am Main. Sie hat ab Mitte der 1980er Jahre neue Ansätze der akzeptanzorientierten Drogenarbeit entwickelt.

Die Integrative Drogenhilfe (idh) erforscht und fördert seit 1986 integrative Methoden und alternative Ansätze in der Suchtarbeit. Sie verbindet langjährige praktische Erfahrungen im Umgang mit Schwerstabhängigen mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Erkenntnisse und Vorgehensweisen der idh haben nicht nur die Drogenpolitik in Frankfurt und Hessen sowie in anderen deutschen Städten verändert, sondern auch weltweit Beachtung gefunden. Die idh folgt einem konsequent zieloffenen pragmatischen Ansatz. Dieser zielt darauf ab, die eigene innere Motivation der Suchtkranken zu stärken, selbst ihre Lebenssituation und ihr Konsumverhalten verändern zu wollen.
Die idh betreibt inzwischen mit 186 Mitarbeiter*innen in Frankfurt eine Reihe von Suchthilfe-Einrichtungen. Dazu gehören unter anderem die größte niedrigschwellige Drogenhilfeeinrichtung Europas, das Eastside, Kontaktcafés, Drogenkonsumräume, ambulant betreutes Wohnen, Sozialpädagogische Familienhilfe und eine ambulante Beratungs- und Unterstützungseinrichtung für suchtmittelabhängige und substituierte Eltern.

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Hilfe statt Repression
Anfang der 90er Jahre führten politische und gesellschaftliche Erkenntnisse zu tiefgreifenden Veränderungen im Umgang mit Menschen, die illegale Drogen konsumieren. Die Stadt Frankfurt am Main schlug einen neuen Weg in ihrer Drogenpolitik ein und übernahm damit national und international eine Vorreiterrolle. Der sogenannte „Frankfurter Weg“ richtete erstmals den Fokus auf gesundheits- und sozialpolitische Hilfen, nicht wie bisher auf ordnungspolitische Maßnahmen. Die bis dahin dominierenden drei Säulen der Drogenhilfe Prävention, Beratung/Therapie und Repression wurden durch eine vierte, ganz wesentliche Säule ergänzt: Schaden minimieren und das Überleben der Drogenkonsument*innen sichern. Dafür steht auch die idh.

Ausdruck dieser veränderten Sichtweise ist die idh-Einrichtung Eastside im Ostend, ein zentraler Baustein im Frankfurter Drogenhilfesystem. Es wurde 1992 gezielt außerhalb der Szene im Bahnhofsviertel als Tagesanlauf- und Übernachtungsstätte für drogenabhängige Menschen eröffnet.  Drogenkonsument*innen finden hier unter einem Dach alltagspraktische Soforthilfen, das Eastside-Café, einen Konsumraum, Übernachtungsmöglichkeiten, Sozial- und Suchtberatung und die Möglichkeit, in den Eastside-Werkstätten an Arbeitsmarktprojekten teilzunehmen. Darüber hinaus ist in Kooperation mit den Malteser-Werken eine Substitutionsambulanz angeschlossen.
Diese unterschiedlichen niedrigschwelligen Angebote mit dem Fokus auf Schadensminimierung sind ein wesentlicher Beitrag dafür, dass in Frankfurt die Zahl der Drogentoten stark gesunken ist.

Neue Herausforderungen
Bis heute sieht sich die niedrigschwellige Suchthilfe immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Aktuell sind es etwa die Veränderungen der Suchtstoffe und der Suchtformen, die neue Maßnahmen notwendig machen. In Frankfurt ist diesbezüglich etwa der Umgang mit dem zunehmenden Konsum von Crack zu nennen. „Ein besonders wichtiges Thema ist aktuell auch die Versorgung der steigenden Zahl älterer Drogenkonsument*innen“, sagt Geschäftsführerin Gabi Becker. „Häufig haben diese keinen Zugang zu den Angeboten der Altenhilfe. Ihre medizinische und pflegerische Versorgung ist häufig ungenügend. Hierfür sind Lösungen zu entwickeln.“ Darin liegt vermutlich auch die Stärke der Suchthilfe: sich immer wieder den Hilfebedarfen anzupassen und entsprechende neue Angebote zu entwickeln.