Henry und Emma Budge-Stiftung

Ein gemeinsames Zuhause für jüdische und nichtjüdische Menschen

Das Haus der Henry und Emma Budge-Stiftung in Frankfurt-Seckbach ist eine ganz besondere Wohn- und Pflegeeinrichtung. Hier leben jüdische und nichtjüdische Menschen zusammen und feiern gemeinsam ihre religiösen Feste. Zugleich ist das Haus auch ein Ort generationenübergreifenden Lernens. Regelmäßig kommen Schüler*innen und Studierende zu Besuch, um die Lebensgeschichten von Bewohner*innen zu hören. „Wenn die Zeitzeugen den jungen Menschen davon berichten, wie sie das Nazi-Regime und das Konzentrationslager überlebt haben, ist es so still im Raum, dass man eine Nadel fallen hören könnte“, sagt Thorsten Krick, Geschäftsführer der Stiftung. Auch die im Januar 2022 verstorbene Frankfurter Ehrenbürgerin Trude Simonsohn gehörte zu den Bewohnerinnen der Einrichtung. Sie sah es als ihre Pflicht, als Überlebende der Shoah für die zu sprechen, die nicht mehr sprechen können, und so Antisemitismus und Diskriminierung in unserer Gesellschaft entgegenzutreten „Es wird eine große Herausforderung, das Gedenken an die Opfer der Shoah lebendig zu halten, wenn die Zeitzeugen-Generation nicht mehr lebt“, betont Krick.

Offenheit und der Bereitschaft zum Dialog zwischen Kulturen und Religionen, das müssen Pflegekräfte mitbringen, wenn sie bei der Henry und Emma Budge-Stiftung arbeiten möchten. „Zum Glück finden durch Mund-zu-Mund-Werbung viele Fachkräfte zu uns, die das mitbringen. Aber natürlich spüren auch wir den Fachkräftemangel“, sagt Geschäftsführer Krick. Derzeit kümmern sich 270 Beschäftigte um rund 300 ältere Menschen im Betreuten Wohnen und im Pflegezentrum. Wie die Bewohner*innen kommen auch die Beschäftigten aus den verschiedensten Kulturkreisen. „Auch für mich war vieles neu, als ich hier begonnen habe“, erinnert sich Thorsten Krick. „Die Bedeutung der religiösen Feiertage oder Besonderheiten der koscheren Küche zum Beispiel – wer bei uns arbeitet, bildet sich jeden Tag fort.“ Das Wichtigste aber sei, sich der Schoah als Teil der Lebensgeschichte vieler Bewohner*innen bewusst zu sein und sensibel damit umzugehen.                                                         

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Alle jüdischen Bewohner*innen in der NS-Zeit getötet

Der jüdischen Tradition folgend, mit Bedürftigen zu teilen, gründete das Ehepaar Henry und Emma Budge unter anderem die Henry und Emma Budge-Stiftung. Diese errichtete 1920 eine moderne Wohnanlage für ältere jüdische und nichtjüdische Menschen im Frankfurter Stadtteil Dornbusch. Ziel war es, sowohl das solidarische Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Konfessionen fördern, als auch mittellosen älteren Menschen den Zugang zu guter Betreuung und Pflege zu ermöglichen. Bis zum heutigen Tag fühlt sich die Stiftung den Grundgedanken des Ehepaars Budge verpflichtet.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ging die Stiftung unter. Spätere Nachforschungen ergaben, dass wahrscheinlich alle jüdischen Bewohner*innen der Frankfurter Eirichtung in Konzentrationslagern getötet wurden. Nach dem Krieg konnte die Stiftung neu belebt werden. Eine Gedenkstätte vor dem 2003 neugebauten Wohn- und Pflegezentrum in Frankfurt-Seckbach erinnert an die Opfer des NS-Regimes.