Frauenhäuser in Hessen

Neustart in ein Leben ohne Gewalt

Das erste Frauenhaus in der Bundesrepublik Deutschland wurde 1976 in West-Berlin eröffnet. Kurze Zeit später folgte das erste hessische Frauenhaus in Kassel. Derzeit gibt es 31 Frauenhäuser in Hessen. Die Hälfte davon gehören zum Paritätischen Hessen. Häufig müssen die Schutzhäuser Opfer von häuslicher Gewalt abweisen, weil in Hessen rund 300 Familienzimmer mit etwa 800 Betten fehlen. Durch die Wohnungsnot müssen zudem viele Frauen länger in den Schutzhäusern bleiben als eigentlich nötig.

„Erst einmal zur Ruhe zu kommen und in Gesprächen mit den Betreuerinnen ernst genommen zu werden, hat mir gut getan“, sagt Nina K.*, die im Frauenhaus Erbach Schutz gesucht hat. „ Der warme Empfang von den Bewohnerinnen des Hauses und zu begreifen, dass außer mir noch andere Frauen in ähnlicher Situation sind, hat mir mein Schamgefühl genommen.“ Bevor sie ins Erbacher Frauenhaus kam, hat die 32-Jährige viel durchgemacht. Die Entscheidung zur Trennung war ihr nicht leicht gefallen, obwohl klar war, dass sie mit ihrem Partner nach dessen Gewaltausbrüchen nicht länger zusammenleben konnte. „Im Frauenhaus hatte ich eine persönliche Betreuerin, die mir kompetenten Rat gab. Sie hat mich sehr gut verstanden und hielt auch das Auf und Ab meiner Gefühle aus“, erinnert sich Nina. Die Unterstützung durch das Frauenhaus-Team hat sie gestärkt. Sie hat neues Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl gewonnen und ist zuversichtlich, auch schwierige Situationen in ihrem Leben meistern zu können.  

Die Erfahrung von Nina K. steht beispielhalft für viele Lebensgeschichten von Frauen, die mit Unterstützung des Erbacher Frauenhaus-Teams eine positive Wendung genommen haben. Gegründet wird das Erbacher Frauenhaus 1989 vom Verein Odenwälder Frauenhaus. „Wenige Tage nach der Eröffnung war es schon voll belegt“, erzählt Carola Dröse vom Frauenhaus-Team. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Jahr 2000 kommt eine Beratungsstelle als „Außenstelle des Frauenhauses“ hinzu, die heute auch als Interventionsstelle fungiert. Diese bietet neben regulären Beratungen auch sogenannte pro-aktive Beratung für Frauen direkt nach einem Polizeieinsatz an.

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Krisenzeit überstanden
2003 müssen Frauenhaus und Beratungsstelle die sogenannte „Operation sichere Zukunft“ der Regierung Koch überstehen. Das rigorose Sparprogramm der hessischen CDU-Landesregierung bringt die ohnehin latent schlecht finanzierten Frauenhäuser an ihre existenziellen Grenzen. Doch nicht zuletzt auch dank der politischen und fachlichen Unterstützung des Paritätischen Landesverbands und großer Solidarität vor Ort übersteht das Frauenhaus die Krisenzeit.

Eine kostendeckende Finanzierung der Frauenhaus-Arbeit ist bis heute –deutschlandweit – ein unerreichtes Ziel. Mit dem Rückenwind der „Istanbul Konvention“, dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, hat sich zwar einiges bei den Rahmenbedingungen verbessert. Doch die Finanzierung von Frauenhäusern auf der Grundlage einzelfallbezogener Tagessätze statt einer institutionellen Förderung ist immer noch ein grundlegendes Problem – so auch in Erbach.
„Für Frauen, die den Schutz eines Frauenhaus benötigen, aber aus unterschiedlichen Gründen keinen Anspruch auf staatliche Leistungen haben, ist der Zugang zu Schutz und Hilfe extrem erschwert“ sagt Frauenhaus-Mitarbeiterin Tina Meier. Denn das aufnehmende Frauenhaus muss nicht nur die Einnahmeausfälle kompensieren, sondern zusätzlich auch die Kosten für den täglichen Bedarf der jeweiligen Frau oder Familie übernehmen. An der Finanzmisere ändert auch die Tatsache nichts, dass das Frauenhaus Zuwendungen einiger Kommunen aus dem Odenwaldkreis und seit 2015 auch zusätzliche kommunalisierte Landesmittel erhält. Und so liegt die personelle Ausstattung des Frauenhauses noch immer weit unter den vom Paritätischen oder der bundesweiten Frauenhauskoordinierung als notwendig erachteten Standards.

Es fehlt Geld für mehr Personal
Gleichwohl gelingt es mit enormer Kraftanstrengung, das mit vielen Baumängeln behaftete alte Frauenhaus durch einen Neubau zu ersetzen, der Ende 2020 bezogen werden kann. Mehr als 700.000 Euro werben die Frauen dafür an Spenden und sonstigen Zuwendungen ein. Und auch der Paritätische Landesverband unterstützt das Team bei der Planung des Neubaus. Mit dem neuen Schutzhaus sind nun die räumlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Odenwald entsprechend der Bevölkerungszahl die laut Istanbul-Konvention erforderlichen 23 bis 26 Betten vorhalten kann. Da es bislang keine Finanzierung für zusätzliches Personal für die Unterstützung und Betreuung weiterer Frauen und Kinder sowie für die wichtige Vernetzungsarbeit gibt, sind es derzeit aber nur 18 Betten. Doch das starke Frauenhaus-Team ist zuversichtlich, dass irgendwann alle möglichen Kapazitäten komplett für schutzsuchende Frauen zur Verfügung stehen.