Not in der Nachkriegszeit

Schuhe, Essen, Papier – es fehlt an allem

Drei Dutzend Mitgliedsorganisationen schließen sich im Gründungsjahr dem neuen Verband an. Fast alle haben in der Kriegszeit schwer Schaden genommen und müssen kämpfen, um sich wirtschaftlich über Wasser zu halten und für die vielen notleidenden und hilfebedürftigen Menschen da sein zu können.

Zentraler Punkt ist demzufolge in den Anfangszeit das Bemühen um Finanzmittel. Es gilt, um staatliche Zuschüsse, Stiftungsmittel oder Unterstützung durch das Hessische Hilfswerk zu werben, aber auch um Wiedergutmachungszahlungen für kriegszerstörte Einrichtungen zu ringen. Der Versand von Werbeschreiben und die Beteiligung an einer noch zu schaffenden Wohlfahrtslotterie werden beraten, der Verkauf von Wohlfahrtsbriefmarken geplant. Die erste Sammelwoche des Hessischen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes steht in der zweiten Augusthälfte 1947 unter dem Motto „Vergesst unsere Notleidenden nicht“ und wirbt um Spenden vor allem für verwaiste Kinder, blinde, hirnverletzte und gebrechliche Menschen, die von Einrichtungen der Mitgliedsorganisationen betreut werden.

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Daneben sind auch die Gefahren der Tuberkulose aufgrund unzureichender hygienischer Verhältnisse, die drohende Verwahrlosung der Jugend und die Altersverelendung im ersten Geschäftsbericht als Probleme benannt, derer sich der Verband annimmt. Die Zahl der von Mitgliedsorganisationen betreuten Menschen beziffert der Verband in dem Bericht mit nahezu 20.000. Die Zahl der Beschäftigten liegt über 1.000, die der freiwilligen Helfer*innen bei 2.000.

Wie in der Bevölkerung mangelt es auch im Verbandsalltag an allem: Bei der Vorbereitung der ersten großen Mitgliederversammlung am 1. und 2. April 1948 stellt sich die Frage: Wie können die Gäste bewirtet werden? Denn es gibt immer noch große Engpässe bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln in Deutschland. Der Verband beantragt beim hessischen Landesernährungsamt die Zuteilung von Lebensmitteln, die es ermöglichen, den rund 100 Teilnehmern der Versammlung und der damit verbundenen Tagung einen „Eintopf zu verabreichen“. Es gibt einen Berechtigungsschein, unter anderem für 20 Kilogramm Hülsenfrüchte, 25 Kilogramm Kartoffeln, 500 Gramm Margarine, 1 Kilo Mehl, 2,5 Kilo Teigwaren und 5 Kilo Brot.

Das städtische Besatzungsamt, Abteilung Quartierbeschaffung, weist beschlagnahmte Räume bei Privathaushalten als Gästezimmer zu, in denen Teilnehmer unterkommen können, die aus weiter entfernten Orten anreisen. Wer ein der wenigen Hotelzimmer im zerbombten Frankfurt nutzen kann, braucht dafür einen Quartierschein. 

Improvisiert werden muss im ersten Jahr auch in der Geschäftsstelle: Es gibt keine Schreibmaschine, die muss man sich erstmal leihen. Auch Papier ist rar, nicht nur im Paritätischen Hessen, sondern auch in den Mitgliedsorganisationen.

Das Papier-Recycling geht soweit, dass sogar die Rückseiten von NS-Formularen, beschrieben werden. Darüber können Sie hier bald mehr lesen.

Und zum Hungerwinter 1946/47 gibt es auch einen Bericht, der kürzlich in der NZZ erscheinen ist