Die 1970er Jahre - Teil 1

Krisen und gesellschaftlicher Wandel

Die 1970er Jahre sind stark geprägt durch den Terror der Roten Armee Fraktion: Sprengstoff-Attentate, Morde und Entführungen erschüttern die Republik. Die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, die auch mit Beschränkungen der Bürgerrechte einhergehen, sind nicht unumstritten. Gleichzeitig  ist die sozialliberale Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt mit weiteren großen Herausforderungen konfrontiert: Nach Jahren des wachsenden Wohlstands sieht sich die Bundesrepublik mit den Folgen der globalen Rezession, des Ölpreis-Schocks und der wachsenden Arbeitslosigkeit konfrontiert.  

Im März 1973 kommt es in Frankfurt zu Straßenschlachten zwischen der Polizei und Hausbesetzer*innen, die gegen Spekulation mit Häusern, steigende Mieten und immer knapper werdenden Wohnraum protestieren. Ein Problem, das 50 Jahre später wieder brandaktuell sein wird und auch den Paritätischen beschäftigt.

Politisch hoch umstritten ist die in der Zeit der sozial-liberalen Regierung unter Ministerpräsident Albert Osswald begonnene und in mehreren Phasen bis 1979 umgesetzte Gebietsreform.  Am 1. August 1979 gibt es in Hessen nur noch fünf kreisfreie Städte (vorher 9) und 421 (vorher 2.642) kreisangehörige Gemeinden in 21 Landkreisen (vorher 39).

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Wegen der Erdölkrise werden gegen Ende 1973 bundesweit vier autofreie Sonntage verordnet, die von der Bevölkerung mit einer gewissen Lust an den positiven Seiten des Ausnahmezustands akzeptiert werden. Die Aufmerksamkeit für ökologische Themen wächst und die Umweltbewegung gewinnt in den folgenden Jahren enorm an Bedeutung.

Der erste Bundesfrauenkongress  mit rund 400 Frauen aus 40 Städten findet im März 1972 in Frankfurt statt. Die Teilnehmerinnen formulieren gesellschaftspolitische Ziele, die reichlich Handlungsbedarf für die nächsten Jahrzehnte bringen. Dazu gehören etwa gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, ein Babyjahr (auch für Väter) statt des üblichen Mutterschutzes, der auf einige Wochen vor und nach der Geburt begrenzt ist, und die steuerliche Gleichstellung von unverheirateten mit verheirateten Paaren. Aus dem Kampf gegen den Abtreibungsparagrafen 218 unter dem Motto „Mein Bauch gehört mir“ ist eine breite deutsche Frauenbewegung geworden, die auch innerhalb des Paritätischen die Abkehr von der traditionellen Frauenrolle und die Gleichstellung zum Thema macht. Mit Annemarie Renger (SPD) wird im Dezember 1972 zum ersten Mal eine Bundestagspräsidentin gewählt.